Episodios

  • tl;dr #49: Karl Polanyi: «The Great Transformation» | mit Claus Thomasberger
    May 9 2025
    Wie lässt sich aus der Krise der Marktordnung in den 1920er Jahren die Entstehung des Faschismus verstehen? Der Ökonom Karl Polanyi geht im Exil 1944 auf Spurensuche: Er sieht die Ursache in der großen Umwälzung im Marktsystem und die von ihm bestimmte Marktgesellschaft. Sie machen aus Arbeit, Boden und Geld „fiktive Waren“ und verfolgen mit staatlichen Mitteln die Utopie des selbstregulierenden Marktes. Alles soll auf der Basis von Angebot und Nachfrage gehandelt werden. Die Menschen werden sozial desintegriert. Das Bürgertum ist mit den Tatsachen des Arbeitsmarktes und des Weltmarktes konfrontiert und kann diese Prozesse nicht beherrschen. Es kommt zu Krisen und Sackgassen. Dies führt zu einer «Doppelbewegung», einer Suche nach Alternativen. Die Lösungen, die das Bürgertum dafür erfindet, führen nach dem Ersten Weltkrieg und mit dem Faschismus zur Zerstörung der Zivilisation. Polanyi will verhindern, dass nach dem Zweiten Weltkrieg das ganze Unheil noch einmal beginnen würde. Er plädiert für einen Sozialismus, der Arbeit, Boden und Geld demokratisch kontrolliert und dem Markt entzieht. Im Gespräch mit Alex Demirović ist Claus Thomasberger, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspolitik an der HTW, Vorstandsmitglied der Karl Polanyi Gesellschaft und Autor vieler Texte zu Polanyi.
    Más Menos
    1 h y 5 m
  • tl;dr #48: Bertolt Brecht: «Das Buch der Wendungen»
    Apr 2 2025
    »Ich halte nichts von Mitleid, das sich nur in Hilfsbereitschaft und nicht auch in Zorn verwandelt.« Schreibt Brecht in seinem unvollendeten Buch der Wendungen, das posthum 1965 erschien. Brecht reflektiert dabei unter Rückgriff auf fernöstliche Anekdoten seine philosophische Methode der Dialektik. Diese «große Methode» dient ihm zur Analyse der Gesellschaft. Die Klassiker des Marxismus tauchen nur wenig chiffriert auf und Brecht versucht die Kämpfe und Niederlagen des Sozialismus zum Ausgangspunkt einer dialektischen Erneuerung der «großen Ordnung» produktiv zu machen. «Denken wird definiert, als etwas, das dem Handeln vorausgeht», schreibt der ehemalige Professor für Philosophie Wolfgang Fritz Haug zur Grundlage des Herangehens von Brecht. Das Buch ist der Versuch, für den Marxismus eine Verhaltenslehre zu entwickeln. Wie sollen Menschen denken und sich verhalten, um zu einer freien Gesellschaft zu gelangen? Welche Art von Tugenden sollen sie dann leben, wenn alles leicht, gerecht, frei zugeht? Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge Wolfgang Fritz Haug. Der 1936 geborene Haug war bis 2001 Professor für Philosophie an der FU Berlin. Neben zahlreichen Klassikern der marxistischen Debatte der letzten Jahrzehnte und der Herausgeberschaft von «Das Argument» lieferte er auch viele Beiträge zur philosophischen Bedeutung von Bertolt Brecht, z.B. «Philosophieren mit Brecht und Gramsci».
    Más Menos
    1 h y 11 m
  • tl;dr #47: Simone de Beauvoir: «Das andere Geschlecht»
    Mar 11 2025
    Simone de Beauvoirs 1949 erstmals veröffentlichtes Werk gilt als Manifest der neuen Frauenbewegung. Es behandelt nicht nur – wie der klassische Feminismus – die rechtliche und politische Gleichstellung, also das Wahlrecht für Frauen oder gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Ihre zentrale These lautet: Frauen gibt es nicht – sie werden dazu gemacht. Beauvoir ist überzeugt von der grundlegenden Freiheit der Menschen. Sie können aus der Immanenz ihres Körpers oder gesellschaftlicher Verhältnisse heraustreten und aktiv in eine offene Zukunft handeln. Doch während Männern dies unter den bestehenden Verhältnissen weithin ermöglicht wird, bleibt es Frauen oft verwehrt. Dabei werden auch die spezifischen körperlichen Merkmale des weiblichen und männlichen Körpers als Mittel geschlechtlicher Herrschaft instrumentalisiert. Frauen wird der Zugang zu ihrem eigenen Körper, ihrem Begehren, ihrer Lust und damit zu ihrer Autonomie verstellt. Männer setzen sich selbst als Maßstab, als Norm. Frauen hingegen gelten als das "andere", als das bloß zweite Geschlecht – als eines des Mangels. Die männliche Norm prägt sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Frauen werden zur Unterordnung erzogen und von ihrem Körper entfremdet, der als unrein und schwach gilt. Ihre Selbstbestimmung wird systematisch verhindert. Sie sollen sich selbst zum Objekt, zur Beute der Männer machen. Das vorherrschende Verständnis des Verhältnisses der Geschlechter beschreibt Beauvoir als eines des Kampfes. Dem setzt sie jedoch eine andere Vision entgegen: die Überwindung von Weiblichkeit und Familie. Sie plädiert für eine Gesellschaft, in der Gleichheit die Grundlage bildet, Unterschiede aber dennoch zur Geltung kommen können. Das männlich dominierte, kriegerische und instrumentelle Modell des Geschlechterverhältnisses soll durch eines der Wechselseitigkeit ersetzt werden. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge die Geschlechtertheoretikerin Andrea Maihofer.
    Más Menos
    59 m
  • tl;dr #46: Willi Münzenberg: «Propaganda als Waffe» | mit Brigitte Studer
    Jan 31 2025
    In seinem 1937 im Exil erschienen Buch «Propaganda als Waffe» beschreibt und analysiert Willi Münzenberg, einer der Gründer der KPD und großer Verleger, zahlreiche Propagandatechniken der nationalsozialistischen Machthaber. Der Nationalsozialismus (NS) benutze die Propaganda wie eine Waffe, ihrer Wirkung werde alles untergeordnet. Es gehe darum, Masse und Gefolgschaft hinter einer kleinen Gruppe von Organisatoren und Führern zusammenzubringen. Die Versammlungen, die terroristische Gewalt der Stoßtrupps, die Rituale mit Fackeln und Fahnenaufmärschen zielten darauf, Eindrücke der Macht zu vermitteln, das Denken auszuschalten und Widerworte zu verhindern. Die Propaganda der Nazis besteht aus einer Vielzahl von Einzeltechniken, von denen einige schon im Ersten Weltkrieg, dann von der Reichswehr, ausgearbeitet wurde. Eine dieser Techniken ist die Lüge in großem Stil, so dass niemand glauben mag, dass jemand wirklich so dreist lügen könnte. Alles immer wieder und auf einfachstem Niveau zu wiederholen gehört ebenfalls zu diesen Techniken. Einer weiteren Technik hat sich die AfD-Politikerin Alice Weidel bedient, als sie im Gespräch mit dem rechten Milliardär Elon Musk behauptete, Hitler sei Kommunist gewesen. Der NS-Diktator sah Propaganda als Mittel, Verwirrung zu stiften. Möglichst weit auseinanderliegende Begriffe oder Sachverhalte sollen sinnlos miteinander kombiniert werden, so dass die Menschen gar nicht lernen, logische Beziehungen zu erkennen und zu verstehen. Münzenberg nahm an, dass die NS-Propaganda an sich selbst scheitern werde. Die Menschen erfuhren, dass die vielen Versprechungen, die der Nationalsozialismus gab - Frieden, Überwindung der Krise, neue Demokratie, Aussöhnung der Klassen, Sozialismus - nicht eingehalten wurden. Alle erwiesen sich als leere Slogans, als Mittel der Propaganda. Die Propaganda würde daran scheitern, dass sie, so die Erwartung Münzenbergs, zu viel verspreche, zu viel lüge. Die Wahrheit würde sich durchsetzen. Aber die Linke, so Münzenbergs Forderung, solle kein Vakuum entstehen lassen. Die Kunst der Propaganda müsse die Linke sich aneignen und eine Gegenpropaganda beginnen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Während die NS-Propaganda im Kern inhaltslos ist und nur auf nihilistische Macht und Gewaltherrschaft abzielt, erwartet Münzenberg von einer linken Propaganda, dass sie die Menschen aufklärt, zu eigenständigem Denken anregt und zu unabhängigen Akteuren macht. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge die Historikerin Brigitte Studer.
    Más Menos
    1 h y 7 m
  • tl;dr #45: Alfred Sohn-Rethel: «Geistige und körperliche Arbeit» | mit Frank Engster
    Dec 30 2024
    Ein ganzes Leben hat Sohn-Rethel diesem Buch gewidmet. Es ist sein Versuch, die gesamte Philosophie und die mathematisierten Naturwissenschaften marxistisch zu erklären. Kritisch bemängelt er, dass Marx nicht radikal genug gewesen sei und bei der Kritik der politischen Ökonomie stehen geblieben sei, anstatt bis zur Kritik der Erkenntnistheorie vorzudringen. Seine These: Marxisten seien materialistisch in der politischen Ökonomie, aber idealistisch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften. Für den Kommunismus bedeutet das, dass die mathematisierten Technikwissenschaften mit ihren allgemeinen Gesetzen das Zusammenleben bestimmen würden. Sohn-Rethel zweifelte nicht an der Gültigkeit der Naturwissenschaften, wollte sie jedoch der selbstbestimmten Gesellschaft unterordnen. Sohn-Rethels Projekt war ehrgeizig: Kants Ansatz, reine vernünftige Kategorien zu bestimmen, sollte durch die Analyse der Warenform ersetzt werden. Die Warenform, so Sohn-Rethel, könne die Denkformen erklären. Diese Denkformen basieren auf der Abstraktion von konkreter körperlichen Arbeit, die sich im Warentausch vollzieht. Das führt zur jahrtausendelangen Spaltung von geistiger und körperlicher Arbeit. Sozialismus, so Sohn-Rethel, könne nur gelingen, wenn beide wieder zu einer Einheit zusammengeführt werden. Sein Ziel war es, die konkreten materiellen Bedingungen zu bestimmen, die diese Einheit auf dem hohen Niveau vergesellschafteter und verwissenschaftlichter Arbeit herstellen können. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge der Autor Frank Engster.
    Más Menos
    1 h
  • tl;dr #44: Fritz Naphtali: «Wirtschaftsdemokratie» | mit Hans-Jürgen Urban
    Dec 4 2024
    Wirtschaftsdemokratie: Naphtalis Vision eines sozialistischen Gemeinwesens Sozialismus braucht Demokratie – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Fritz Naphtali fordert in seiner Schrift «Wirtschaftsdemokratie», dass die parlamentarische Demokratie, die dem Bürgertum von der Arbeiterbewegung abgerungen wurde, unvollendet ist und durch Wirtschaftsdemokratie ergänzt werden muss. Seiner Ansicht nach soll nicht mehr das Kapitaleigentum über das Schicksal des Gemeinwesens entscheiden. Für Naphtali bedeutet Sozialismus, dass auch die Wirtschaft Teil des Gemeinwesens wird und ökonomische Prozesse planvoll gestaltet werden können – mit gleichberechtigter Teilhabe aller. Dabei zeigt sich, dass schon jetzt relevante Veränderungen stattfinden. Deshalb ist es möglich, nicht auf eine letzte Stunde der Entwicklung zu warten, sondern den Kapitalismus zu biegen, bevor er einmal durch grundlegende Veränderungen der Eigentumsverhältnisse gebrochen wird. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge Hans-Jürgen Urban. Er ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und Honorarprofessor für Soziologie an der Universität Jena.
    Más Menos
    1 h y 9 m
  • tl;dr #43: Leo Löwenthal: «Falsche Propheten» | mit Simon Strick
    Oct 30 2024
    Propaganda und Gewalt sind wesentliche Merkmale faschistischer Politik. In dem Text «falsche Propheten» analysiert Leo Löwenthal die rhetorischen Techniken, die Agitatoren in ihren Texten, Flugblättern oder Reden verwenden. Löwenthal war einer der Mitbegründer der «Kritischen Theorie» und Kommunikationsforscher. In dem Klassiker der politischen Psychologie untersucht er in den USA der 1940er Jahre die Rolle des «Agitators». Dieser verbreitet Verschwörungstheorien und «fakenews» und unternimmt gegenüber seinem Publikum eine Feindmarkierung von Linken, Politikern und Jüdinnen und Juden als Sündenböcke der gesellschaftlichen Krise. Der «Agitator» arbeitet auf die Verdummung der Bevölkerung hin und lenkt damit von den tatsächlichen Problemen der Gesellschaft ab. Löwenthal betrachtet dies als «Generalprobe fürs Pogrom». Die untersuchten Materialien sind nicht nur eine historisch interessante Forschung zu rechter Ideologie, sondern brandaktuell. Wer heute Rechte reden hört, wer sich in den Sozialen Medien umschaut, den springt die Aktualität dieser Untersuchung geradezu an. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge Simon Strick. Er arbeitet am ZeM - Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften und hat zuletzt das Buch «Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus» veröffentlicht.
    Más Menos
    1 h y 9 m
  • tl;dr #42: Franz Neumann: «Behemoth» | mit Fabian Virchow
    Oct 2 2024
    «Behemoth – Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944» gilt als ein Standardwerk der Staats- und Faschismustheorie, es erschien 1944 in den USA. Es untersucht die Frage, wie die unterschiedlichen Machtblöcke im NS-Systems zusammengehalten und ausbalanciert wurden. Der Titel Behemoth benennt sich nach einem mythischen Ungeheuer, das Chaos, Gesetzlosigkeit, Zerstörung mit sich bringt. Mit diesem Bild will Neumann die NS-Herrschaft charakterisieren. Neumann analysiert die vier Säulen der NS-Herrschaft: die Wirtschaft mit ihren politischen Organisationen, das Militär, die Bürokratie und die Partei. Nach Neumann reagiert der «Führer» Hitler auf diese Machtblöcke und vermittelt, um Widerstand zu verhindern, demnach ist die Herrschaft «formlos». Zusammengehalten wird das Regime durch Profit, Gewalt, Angst vor den Massen. Es handelt sich um eine ursprüngliche Akkumulation durch Gewalt, Terror und Raub. Neumann betont die Kontinuität des Kapitalismus. Dieser ist nicht in Staats- oder Managerkapitalismus unter der Kontrolle der NSDAP übergegangen. Der NS ist für Neumann die Fortsetzung des Kapitalverhältnisses mit anderen Mitteln. Neumann beschreibt das als die Organisation des totalitären Monopolkapitalismus. Neumann fragt insbesondere nach der Frage der ökonomischen Bedingungen und auch der Bedeutung des imperialistischen und antisemitischen Raubzugs durch Europa und die Bindungskraft, die durch die Teilnahme an der Arisierung und Aneignung entsteht. Zu Gast bei Alex Demirović ist in dieser Folge Prof. Dr. Fabian Virchow. Er leitet den Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) der Hochschule Düsseldorf.
    Más Menos
    1 h y 5 m
adbl_web_global_use_to_activate_webcro805_stickypopup