Episodios

  • Guten Morgen, Naked String Quartet
    May 12 2025
    Vier Musikerinnen haben sich am Pool aufgebaut: Ein nacktes Quartett, mitten im Berliner KitKat-Club. Auf den Pulten steht Haydns Kaiserquartett. Die Meisten Zuhörerinnen und Zuhörer tragen Fetisch-Kleidung, viele hören aufmerksam zu, einige nippen dabei an Getränken. Irgendwann beginnt einer der Männer ganz selbstverständlich den Hintern seiner Partnerin zu schlagen – mit der flachen Hand, stets im Rhythmus der Musik. Das Quartett spielt weiter. Das Publikum hört weiter zu und genießt die Frivolität der Nacht. Nur Haydns Kaiserquartett wird für das Naked String Quartet zukünftig einen neuen Namen tragen: das Spanking Quartett. Shasta Ellenbogen ist die Violistin und die Gründerin des Naked String Quartet. Wenn sie am Morgen nach der Aufführung über die Welt der klassischen Musik spricht, tut sie das mit eben so viel Frustration wie Leidenschaft. Ellenbogen ist eine hoch virtuose Musikerin aus Kanada. Sieben Jahre lang hat sie die Konzertreihe Classical Sundays an verschiedenen Orten in Berlin veranstaltet. Das war ihr erster Versuch, einer reglementierten Klassik-Welt zu entkommen. Ellenbogen hat die Nase voll von der Mainstream Klassik. Und das ist noch untertrieben. Sie stört das Auftreten und die Inkompetenz vieler Musikerinnen und Musiker – besonders von Dirigenten. Sie spricht von mangelnder Kommunikationsfähigkeit, von fehlendem Überblick über die Partitur, von schlechter Probenarbeit und miserabler Bezahlung. Für sie ist die alte Klassik-Welt ein »perfekter Mix aus toxischer Männlichkeit und dem Geruch von bully boomern«. Enttäuschungen erlebte Ellenbogen auch in der Kammermusik. Sie beschreibt das Naked String Quartet daher bewusst als untypische Kammermusikgruppe, obwohl auch hier eine art Diktatur herrsche – nur ein »matriarchalisches Diktatorentum in freundlicher Ausführung«. Ellenbogen glaubt, dass klassische Musik auch deshalb unpopulär ist, weil sie auf eine überkommene Art und Weise präsentiert wird. Die Klassik-Krise sei keine Bildungskrise, sagt sie, sondern eine künstlerische Krise. Die Hauptprobleme seien mangelnde Partiturkenntnis und undifferenzierte Positionierungen von Musikerinnen und Musikern gegenüber der Musik. Nach den Classical Sundays wurde Ellenbogen vom KitKat Club zu einem Konzert eingeladen – ein sonntägliches Brunch-Event. Nach einem halben Jahr fragte sie nach, ob Klassik nicht auch in die eigentliche Clubnacht integrieren könnte und bot der Chefin an, kostenlos bei einer Rokoko-Party zu spielen – zum ersten Mal nackt. Damals hat das Publikum, Ellenbogen erinnert sich, dass einige ziemlich high waren, die Performance mit Haydn-Musik geliebt und »hörten uns mit offenem Mund zu.« Seit dem war ihr klar, dass regelmäßige Konzerte eine Chance haben. Da musste nur noch »über den finanziellen Zuschlag für das Nacktspielen« verhandelt werden – und seither tritt das Naket String Quartet jeden Samstag im KitKat-Club auf. Das erste Mal ohne Klamotten zu spielen war für Ellenbogen und ihre Kolleginnen mit allerhand Aufregung verbunden. »Alle hatten Hemmungen«, sagt die Bratscherin, »meine persönliche Hauptsorge war, dass die Leute mich nicht hot finden.« Doch sobald sie auf der Bühne stand, habe die Nacktheit keine Rolle mehr gespielt. Seither gibt es verschiedene Musikerinnen (und einige Musiker), die an den Samstagen zum Naket String Quartett verschmelzen und in der Regel Musik von Schubert, Mendelssohn, Dvorak, Beethoven, Ravel, Johann Strauss, Smetana oder Offenbach spielen. Das Publikum im KitKat Club unterscheide sich nicht wirklich von einem normalen Konzertpublikum, sagt Ellenbogen. Zwar tragen es Fetisch Klamotten oder sei ebenfalls nackt, aber das Wichtigste sei, dass die Leute sich unterhalten wollen. Die Musik dient als Inspiration. Trotz der Nacktheit und der Umgebung empfindet Ellenbogen den KitKat Club als »die sicherste Umgebung, in der ich je gespielt habe«. Es sei ein sicherer Raum abseits der typischen Leistungsän
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    22 m
  • Guten Morgen, Generalmusikdirektoren!
    May 5 2025
    Die Generalmusikdirektoren (GMD) in Deutschland fühlen sich in ihrer beruflichen Position zunehmend unter Druck. Bei ihrer Konferenz in Berlin äußerten die Dirigenten Eckehard Stier und Marcus Bosch Kritik an den aktuellen Machtverhältnissen und Vertragsbedingungen an einigen Stadttheatern. Sie sehen den Berufsstand in einer »großen Transformation«. Ein zentraler Kritikpunkt ist laut den GMD die zunehmende Praxis, Generalmusikdirektoren mit einem Vertrag nach dem Normalvertrag (NV) Bühne zu verpflichten. Die Konferenz der Generalmusikdirektorinnen und Generalmusikdirektoren hat am 1. Mai beschlossen, dass diese Praxis keineswegs der tatsächlichen Tätigkeit der GMDs entspricht. Eckehard Stier bezeichnete den NV Bühne für GMDs als einen »Knebelvertrag«, in dem im Endeffekt gar nichts über die Verantwortung des GMDs stehe. Dieser Vertrag bilde weder den Arbeitsumfang ab noch die notwendige Möglichkeit, den Dienstherrn adäquat zu vertreten, und symbolisiere keine Theaterleitung auf Augenhöhe. Die GMD fühlen sich nach den Worten von Marcus Bosch oft in einer »Sandwich-Position« wieder. Das tatsächliche Gefühl der allermeisten Kollegen sei eher ein Gefühl der »Ohmacht nach zwei Seiten«: Einerseits abhängig vom Orchester zu sein, bei Veränderungsvorschlägen aber schnell auf Ablehnung zu stoßen, andererseits Ängste gegenüber der Intendanz zu haben. Es gebe eine Verschiebung hin zu Machtverhältnissen, die nicht immer die tatsächliche Kompetenz berücksichtige, so Eckehard Stier. Man merke, dass der musikalische Einfluss zurückgedrängt werde, unter anderem durch die Vertragsform an der Spitze. Marcus Bosch beschrieb das Gefühl einer Kollegen, nur noch »dirigierender Dienstleister« zu sein. Früher hätten GMDs ein gewichtiges Wort bei Entscheidungen mitzureden gehabt, überall stehe heute das Letztentscheidungsrecht des Intendanten vor. Beispiele für exzessive Streitereien, etwa in Kassel oder Bremerhaven, zeigten, wie sich das Team oft zerfalle. Als möglichen Ansatz zur Verbesserung sehen Stier und Bosch die Erkenntnis in den Spitzen der Theater, Aufsichtsräten und der Politik, dass der derzeitige Theaterbetrieb an vielen Stellen nicht gut funktionieren könne. Es gehe nicht darum, die Orchesterordnung in Deutschland grundsätzlich zu ändern, was Gefahren für die 9.000 Orchestermusikerinnen und Musiker berge. Vielmehr müsse die Struktur der Leitung eines Hauses und die wirkliche Ausnutzung gegenseitiger Kompetenzen betrachtet werden. Marcus Bosch betonte, man müsse an den Ecken anfangen, wo man selber etwas ändern könne. Wichtig sei, dass Städte überlegen, was sie für ein Theater wollen und dann »Teams bauen und nicht Leute zusammenspannen«. Es gehe um eine Sensibilisierung. »Wir müssen sensibler miteinander umgehen und wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen«, fasste Bosch die Hoffnung zusammen. Eckart Stier ergänzte, dies sei der Idealfall und wäre gut. Die Debatte über die Rolle der Musik und der Orchester in den Stadttheatern und die Bedeutung, die ihren Leitern innerhalb der Strukturen gegeben werden soll, sei noch offen und werde weiter ausdebattiert.
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    17 m
  • Takt&Taktlos: Der neue Kulturkonservativismus und »Weimer der Elefant«
    May 2 2025
    Dieses ist der erste Podcast Takt und taktlos von Hannah Schmidt und Axel Brüggemann. Ein Geburtstagsgeschenk zum einjährigen Bestehen von BackstageClassical. Das Format wird ab sofort einmal im Monat aktuelle Themen der Klassikwelt diskutieren. Wir haben den Podcast vor dem Rücktritt von Joe Chialo aufgenommen – ein großes Thema der ersten Folge ist die Ernennung von Wolfram Weimer zum neuen Kulturstaatsminister der Bundesregierung, als Nachfolger von Claudia Roth. Schmidt seziert Aussagen aus seinem Buch »Das konservative Manifest«. Im Vergleich zur Kulturpolitik in Berlin und München, scheint Hamburg ein Paradies zu sein: Der Kulturetat wird um 11% gesteigert. Das Projekt eines neuen Opernhauses, finanziert von Unternehmer Kühne, erregt dagegen Zweifel bei Schmidt und Brüggemann: Problematisch sei die Finanzierung durch einen Milliardär, insbesondere aufgrund der unaufgearbeiteten Rolle seines Unternehmens in der NS-Zeit und der Wahl eines historisch belasteten Ortes für den Bau. Auch die kulturpolitische Situation in den USA unter Donald Trump wird debattiert. Trumps Übernahme des Kennedy Centers, die Entfernung demokratischer Mitglieder und die Streichung von »woken« Stücken werden kritisiert. Es wird diskutiert, ob europäische Musiker die USA boykottieren sollten. Ein weiteres Thema ist der Niedergang der traditionellen Opern-, Konzert- und Klassikkritik. Der Beruf des fest angestellten Kritikers, der europaweit unterwegs ist, existiert in dieser Form kaum noch. Das ist nicht unbedingt schlimm, finden Schmidt und Brüggemann, da der ästhetische Diskurs sich verlagert habe und Veranstalter sowie Journalistinnen und Journalisten gerade neue, spannende Formen finden. Der Rückgang wird als »eiskalte Rechnung« der Verlage gesehen. Die Debatte um Triggerwarnungen an Theatern wird als Stellvertreterdiskussion für tiefere Verlustängste und die Angst vor gesellschaftlichem Wandel interpretiert. Es gehe nicht um die Hinweise selbst, sondern um die Angst vor Veränderung und den Verlust von Deutungshoheit im Diskurs, da nun auch bisher unsichtbare Lebensrealitäten auf der Bühne sichtbar gemacht und benannt werden. Schließlich beleuchtet die Diskussion über die »alte weiße Rechte« und die »neue junge Rechte«, wie der Verlust alter Machtpositionen kompensiert wird. Während die alten Reaktionäre angeblich in die 1960er Jahre zurück wollen, wird befürchtet, dass die junge Rechte eine noch radikalere und unmenschlichere Welt anstrebt, möglicherweise brutaler, da sie die Konsequenzen vergangener Zeiten nicht erlebt hat.
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    47 m
  • Guten Morgen, Steven Walter!
    Apr 28 2025
    Steven Walter, Intendant der Beethovenfeste Bonn und deutsch-amerikanischer Doppelstaatsbürger, gibt nach einem Thomas Mann-Fellowship in den USA Einblicke in die Musikgesellschaft und das politische Klima in Zeiten von Donald Trump. Er berichtet über ein Land, das von vielen in der Kulturszene als »gehijacked« empfunden wird. In der US-Kultur gebe es eine Mischung aus Schockstarre, Angst und »Soul Searching« bezüglich Themen wie »Wokeness«. Trotz Fragmentierung der Linken sieht Walter Anzeichen für zunehmenden Protest und bessere Organisation. Die Kulturförderung sei in den USA stärker privat und weniger staatlich als in Deutschland. Diese Staatsferne schütze zwar vor direktem staatlichem Zugriff, ermögliche aber auch politische Einflussnahme durch Stiftungen. In Deutschland sei staatliche Förderung nötig, müsse aber Kunstfreiheit und Distanz wahren. Walter und Gesprächspartner diskutieren einen möglichen »Backlash« gegen linke Kulturprojekte, der mit einer Entkopplung von Lebensrealitäten zusammenhängen könnte. Er sieht politische Phänomene wie den Trumpismus auch als kulturelles Problem, basierend auf Gefühlen von Abgehängtheit. Walter beobachtete zudem eine gesellschaftliche »Anästhesierung«, der Kultur durch Bedeutung entgegenwirken könne. Am teilweise bundesfinanzierten Kennedy Center kam es nach Trumps Amtsantritt schnell zu politischer Einflussnahme und Entlassungen. Liberale Geldgeber zogen sich teils zurück. Langfristig bleibt Walter wegen einer starken Zivilgesellschaft in den USA optimistisch. Seine Reise inspirierte ihn unter anderem durch offene, Post-Genre-Ansätze und die amerikanische Servicekultur.
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    34 m
  • Good Morning, Chen Reiss!
    Apr 27 2025
    Die israelische Sopranistin Chen Reiss sieht wachsende Schwierigkeiten für jüdische Künstler und beklagt eine spürbare Vorsicht bei Veranstaltern, Programme mit Musik jüdischer Komponisten anzusetzen. Anlass ist ihr neues Album »Jewish Vienna«, das Musik von Alexander Zemlinsky, Erich Wolfgang Korngold und Josephine Winter enthält. »Wir erleben Antisemitismus überall«, sagte Reiss in einem Interview mit BackstageClassical über die aktuelle Situation weltweit. Sie spricht von unsicheren und instabilen Zeiten, besonders für Juden. Die Künstlerin, deren Großeltern 1939 aus Europa fliehen mussten, empfindet die Gegenwart als besorgniserregend und weiß nicht, wohin man diesmal fliehen solle. Selbst Deutschland, das sie einst als sicher empfand, könne sie heute nicht mehr als solches bezeichnen. Die aktuelle politische Lage wirke sich auch auf ihre Arbeit aus, berichtet Reiss. Während Kollegen meist aufgeschlossen seien, zeigten sich einige Veranstalter zurückhaltend. »Einige Veranstalter sind vorsichtig geworden, ein jüdisches Programm zu planen«, so Reiss. Die Furcht gelte Demonstrationen oder Empörung des Publikums. Manche hätten ihr offen gesagt, dass ihr Projekt Jewish Vienna zwar fabelhaft sei, sie angesichts des politischen Umfelds aber lieber etwas anderes singen solle. Reiss betont, dass das Album nichts mit Israel zu tun habe. Die Stücke seien alle vor der Staatsgründung Israels 1948 komponiert worden; die meisten der Komponisten seien sogar vorher gestorben. Sie singe Musik von jüdischen Komponisten, die in Wien wirkten – einer Stadt, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein einzigartiges Zentrum für Kunst, Intellekt und Musik war. Es handele sich um europäische Musik, die aus dieser Tradition erwachsen sei. Komponisten wie Zemlinsky, Korngold oder Gustav Mahler, auch wenn er konvertierte, waren tief in der Wiener Gesellschaft assimiliert. Das Album beleuchte nicht nur die Musik, sondern auch das Schicksal dieser Künstler. So starb Josephine Winter 1943 in Theresienstadt. Erich Wolfgang Korngold musste in die USA emigrieren und war gezwungen, Filmmusik zu schreiben, anstatt seine künstlerische Tradition fortzusetzen. Reiss spricht von einer durch die Verfolgung und Ermordung jüdischer Künstler unterbrochenen und zerstörten Tradition. Angesichts der heutigen Parallelen sei es deprimierend und melancholisch. Dennoch gebe es Grund zur Hoffnung, und es liege in der eigenen Hand, die Dinge zum Besseren zu wenden. Reiss sieht es als ihre Verantwortung als Künstlerin, aufzuklären. Sie ermutigt Veranstalter und empfindet die Aufmerksamkeit der Presse für das Thema als positiv. Die Zuhörer klassischer Musik seien zudem oft ein anderes Publikum als die Demonstranten auf der Straße. Entscheidend sei es, die junge Generation zu bilden und die Geschichten zu erzählen, was geschehen ist und heute geschieht, aus einer humanitären Perspektive. Es gehe darum, Dialog zu schaffen und Menschen zu ermutigen, Informationen kritisch zu hinterfragen. Reiss wird demnächst weltweit mit Korngold-, Schreker- und Mahler-Liedern auftreten.
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    32 m
  • Guten Morgen, Nikolaus Pont!
    Apr 22 2025
    Nikolaus Pont, der Intendant des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO), hat sich besorgt über mögliche Kürzungen in der Kulturberichterstattung der Süddeutschen Zeitung (SZ) geäußert. In einem Brief an Veranstalter in und um München habe er seine Befürchtungen zum Ausdruck gebracht und um Sensibilisierung für dieses Thema gebeten. Pont bestätigte in einem Gespräch mit dem Podcast von Backstage Classical einen entsprechenden Informationsaustausch mit Kollegen im Münchner Veranstalterkreis. Er sei überrascht gewesen von der Information, dass Konzertrezensionen in der SZ deutlich reduziert werden sollen. Dies habe ihn dazu bewogen, die betroffenen Personen zu informieren, da er dies als einen »kompletten Richtungswechsel« ansehe. Der BRSO-Intendant betonte, dass dieser Trend einer Schwächung der Kulturkritik nicht nur ein lokales Problem Münchens sei, sondern gesamtgesellschaftlich beobachtet werden könne. Er sehe darin eine Parallele zu einem allgemeinen Wandel im Medienkonsum und der Bewertung von Nachrichten. Gleichzeitig hob er die »privilegierte« Situation Münchens hervor, die bisher von einer vergleichsweise breiten Medienlandschaft mit regelmäßigen Rezensionen klassischer Konzerte geprägt gewesen sei. Namen wie Joachim Kaiser und Wolf-Eberhard von Lewinski seien eng mit der Musikkritik der Süddeutschen Zeitung verbunden. Pont wies darauf hin, dass die Bedeutung der klassischen Musik in der Gesellschaft möglicherweise abnehme, was sich auch im Medieninteresse widerspiegele. Er fragte, ob der Wert von Konzertrezensionen tatsächlich deshalb geringer eingeschätzt werden könne, nur weil sie weniger gelesen würden. Seiner Ansicht nach spiele eher eine Rolle, wie Medien generell die Bedeutung von Inhalten bewerten, die nicht zu den Top-Klickzahlen gehören. Es wäre »zu kurz gegriffen« zu behaupten, früher hätten sich die Menschen massenhaft für Konzertkritiken interessiert und heute niemanden mehr. Gleichzeitig beobachtet Pont, dass Kulturinstitutionen zunehmend selbst zu Medien werden, etwa durch Social-Media-Aktivitäten und die Inszenierung von Diskursen, beispielsweise durch Kritikergespräche nach Aufführungen. Er warnte jedoch vor einer reinen »Selbstinszenierung«, bei der man primär versuche, sich selbst ins Gespräch zu bringen, und dabei die Seriosität verlieren könne. Trotz der veränderten Medienlandschaft hält Pont die »kritische und zwar sehr kritische« Auseinandersetzung mit dem Kulturgeschehen für essentiell, gerade für öffentlich finanzierte Institutionen wie das BRSO. Es gehe darum, dass das, was in den Konzerten passiere, von einer relevanten Anzahl von Menschen beachtet, beobachtet und eben auch durch öffentliche Gelder mitfinanziert werde. Er kämpfe weiterhin darum, dass Medien wie die Süddeutsche Zeitung die Relevanz ihrer Arbeit so einschätzen, dass sie regelmäßig darüber berichten. Dies habe nichts mit einem »krampfhaften Festhalten an dem, was mal war« zu tun, aber dieser Aspekt dürfe nicht aus den Augen verloren werden. Mit Blick in die Zukunft räumte Pont ein, dass eine präzise Vorhersage schwerfalle. Klar sei jedoch, dass es nicht so bleiben werde wie bisher. Kulturveranstalter müssten den »richtigen Mittelweg finden zwischen dem direkten Weg zu unserem Publikum und unserem auch potenziellen Publikum«. Eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit und ein besseres Kennenlernen des Publikums, etwa durch Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM), seien notwendig. Gleichzeitig müsse die Qualität des Kerngeschäfts, also der Konzerte selbst, erhalten bleiben.
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    26 m
  • Guten Morgen, Moritz Eggert!
    Apr 15 2025
    Komponisten laufen Sturm gegen GEMA-Reform – Eggert fordert Kurswechsel Berlin (BC) – Ein heftiger Richtungsstreit tobt in der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) um geplante neue Ausschüttungsschlüssel. Komponisten, allen voran Moritz Eggert, Vorsitzender des Deutschen Komponistenverbandes (DKV), protestieren lautstark gegen die Reform. Eggert kritisiert im Podcast Guten Morgen von Backstage Classical die mangelnde Beteiligung von E-Komponisten (ernste Musik) am Reformprozess. »Tatsächlich entstand diese Reform absolut unter Ausschluss von E«, so Eggert. Zentraler Streitpunkt ist die Umverteilung von Tantiemen, insbesondere des sogenannten Sozkulabzugs. Eggert bemängelt, dass die E-Musik mit einem Anteil von nur etwa 1% an der Gesamtausschüttung deutlich unterrepräsentiert sei, obwohl sie einen wichtigen Innovationsbereich darstelle. Die GEMA versuche eine Neiddebatte anzuheizen, anstatt die tatsächlichen Ungleichheiten innerhalb der U-Musik (Unterhaltungsmusik) anzugehen. Besonders alarmiert zeigt sich Eggert über die geplante Rolle der GEMA als »Geschmacksinstanz«, die künftig über Förderwürdigkeit von Musik und die Einteilung von Veranstaltungsorten entscheiden wolle. »Die GEMA entscheidet darüber, welche Musik förderungswürdig ist. Das hat sie bisher nicht getan«, warnt Eggert. Er betont, dass alle Musik Kultur sei und die GEMA mit solchen Kategorien abwertend agiere. Eggert und der DKV fordern eine grundlegende Überarbeitung der Reform unter Einbeziehung der E-Komponisten. »Wir sind gerne bei einer Reform dabei. Wir sind auch für eine Reform, wir wollen aber beteiligt werden und wir wollen, dass es eine intelligente Reform ist, eine vernünftige Reform ist, die Dinge verbessert, die man verbessern kann«, so Eggert. Sollte die Reform in der vorliegenden Form durchkommen, befürchtet Eggert gravierende Folgen für die deutsche Musiklandschaft: niedrigere Kompositionshonorare, Pleiten von Musikverlagen (insbesondere im Bereich Kirchenmusik), weniger Kompositionsaufträge für Ensembles und Festivals sowie die Marginalisierung von E-Komponisten innerhalb der GEMA. Durch erwartete Einnahmeverluste könnten viele E-Komponisten die Hürde zur ordentlichen Mitgliedschaft und damit ihr Stimmrecht verlieren. Eggert kritisiert die mangelnde Gesprächsbereitschaft der GEMA in der Vergangenheit. Trotz einer aktuellen Öffentlichkeitskampagne seien die Fronten intern verhärtet. Für die Abstimmung am 14. und 15. Mai sieht Eggert einen schwierigen Kampf, hofft aber auf die Solidarität der Kollegen aus U-Musik und anderen Genres, um eine faire und zukunftsfähige Reform zu erreichen. »Ich glaube, dass wir hier wirklich Einhalt gebieten müssen. Die Entwicklung bei der GEMA ist nicht gut«, resümiert Eggert. Gegenanträge wurden gestellt, um eine intelligente und sanfte Reform zu gestalten.
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    26 m
  • Guten Morgen, Frau Heineke!
    Apr 10 2025
    Der Streaminganbieter Qobuz ist der erste, der seine Verteil-Mechanismen öffentlich macht. Ein Gespräch mit der Country-Managerin für Deutschland, Mareile Heineke. PARIS – Der Streaminganbieter Qobuz, versteht sich als Verfechter fairer Künstlerausschüttungen und hoher Klangqualität. Nun hat er erstmals detaillierte Einblicke in seine Zahlungen an Rechteinhaber gegeben. Im Jahr 2024 zahlte Qobuz durchschnittlich rund 0,018 Euro pro Stream, »das heißt, für 1000 Streams zahlen wir rund 18 Euro und zwei Cent«, erklärt Mareile Heineke, Countrymanagerin für die DACH-Region bei Qobuz, im Gespräch mit dem Podcast Backstage Classical. Zählung beginnt ab 30 Sekunden Pro abgespieltem Titel, der länger als 30 Sekunden gehört wird, zahlt Qobuz den genannten Betrag. Das gängige Abrechnungsmodell in der Branche, einschließlich Qobuz, basiert auf dem »Marketshare«, bei dem alle Streams in einen Topf fließen und proportional verteilt werden. Nutzerzentrierte Modelle, bei denen jeder einzelne Stream direkt einem Künstler zugeordnet und vergütet wird, seien laut Heineke noch wenig ausgereift. Auch der Average Revenue per User ist bei Qobuz überdurchschnittlich hoch. »Der durchschnittliche Umsatz pro User liegt bei ungefähr 118 Euro, während der Marktdurchschnitt bei 21,73 Euro liegt«, sagte Heineke und führte diesen signifikant höheren Durchschnitt darauf zurück, dass Qobuz im Gegensatz zu vielen Konkurrenten keine kostenlosen, werbefinanzierten Abonnements anbietet. Qobuz behält einen Teil der Abonnementgebühren ein, um die eigenen Kosten zu decken: Etwa 70% des Umsatzes werden an die Rechteinhaber ausgeschüttet. Von Menschen kuratiert Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal von Qobuz gegenüber anderen großen Streamingplattformen sei der starke Fokus auf redaktionelle Kuration anstelle von Algorithmen. »Alles, was wir den Userinnen und Usern präsentieren, ist von unserer Redaktion von Hand ausgewählt«, betonte Heineke. Qobuz sehe darin ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die Playlists und Empfehlungen werden von einem Redaktionsteam zusammengestellt, das jede Woche Neuerscheinungen sichtet und Rezensionen verfasst, um den Nutzern ein »gesamtheitliches Erlebnis« zu bieten. Diese Philosophie spiegele sich auch in der Entscheidung wider, Klassik nicht in einer separaten App auszulagern, sondern im Standardangebot zu integrieren, um so ein breiteres Publikum anzusprechen. »Wir möchten, dass die Klassik auch ein größeres Publikum anspricht«, bekräftigte Heineke. Die Katalogisierung von klassischer Musik stellt für Streamingdienste aufgrund der Komplexität von Werken, Interpreten und Satzbezeichnungen eine besondere Herausforderung dar. Qobuz begegnet dieser Herausforderung durch die Anreicherung der Metadaten auf Album- und Trackebene, um detaillierte Informationen zu Komponisten, Interpreten, Toningenieuren und weiteren Beteiligten bereitzustellen. Das Ende der CD? Bezüglich der Zukunft der CD äußerte sich Heineke skeptisch: »Ich glaube, die CD wird langfristig nicht bestehen. Das liegt einfach daran, dass es kein besonders schönes Medium ist – also rein vom vom haptischen und visuellen her.« Im Gegensatz dazu erlebe die Schallplatte als physisches »Kunstobjekt« derzeit eine Renaissance. Im Unterschied zu einigen anderen Plattformen ermöglicht Qobuz Amateuren nicht, ihre Musik direkt hochzuladen. Stattdessen ist eine Zusammenarbeit mit einem digitalen Vertrieb erforderlich, um die Musik auf die Plattform zu bringen und Streaming-Manipulationen vorzubeugen. Für unabhängige Künstler existieren jedoch sogenannte technische Aggregatoren, die diese Vertriebsrolle übernehmen können. Heineke wies auch auf nationale Unterschiede im Musikgeschmack hin. So würden französische Nutzer tendenziell mehr französische Musik und World Music hören als beispielsweise deutsche Konsumenten. Mit Blick auf die Zukunft der Musikindustrie erwartet Heineke eine zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz, sieht aber gleichzeitig einen wachsenden Wunsch de
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    28 m
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