"Verschlossene Weihnachtstüren" (Eduard von Keyserling) Podcast Por  arte de portada

"Verschlossene Weihnachtstüren" (Eduard von Keyserling)

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Zugegeben: Die Frauenfiguren in dieser Geschichte wirken auf den ersten Blick recht naiv. Auf den zweiten ist die Lage allerdings anders, wie so oft in der Literatur. Denn es sind eben die drei weiblichen Figuren, die ihren jeweils eigenen Weg gehen, mit Kurt, mit Alfred, mit Oskar – nur eben nicht mit Helmar, dem Baron. Er sucht unentwegt feminine Gesellschaft, ständig aus „auf die Gegenwart einer schönen Frau“. Und in der Geschichte scheinen ja auch sämtliche Türen zu den Frauen anfangs geöffnet, denn sie mögen und loben ihn für seine klugen, bedeutenden Worte. Eine sammelt seine Aussprüche in einem Buch, der anderen wird gar „schwindelig“ und sie fühlt sich „glücklich“, wenn sie Helmar zuhört. Oha! Das Sprechen wird früh in dieser Erzählung an körperliches Empfinden gekoppelt, Sprache wirkt wie an Erotik gebunden, zumindest in der Wahrnehmung des Barons – zugleich an Ambivalenz und Verzicht. Denn Helmar muss bei seinem ersten Weihnachtsbesuch Helenes Haus verlassen (er stört den Ehemann), bei seinem zweiten Verenas Zuhause, weil sie mit Alfred Weihnachten feiern möchte, ihrem neuen Verlobten – das seien halt „so Familienereignisse“, sagt sie. Den zweimal Abgelehnten, Ausgeschlossenen erfüllt nun „nur ohnmächtiger Zorn gegen all die großen Worte, die er zwischen sich und diesem schönen Mädchen (Verena) aufgetürmt hatte und die ihm den einfachen, geraden Weg versperrten, den der gute Alfred gegangen war“.

Dies ist eine für die Erzählung selbst zentrale Aussage! Dem Baron wird denn auch bewusst, wie alleinstehend er ist. Selbst sein Diener ist an diesem Weihnachtsabend bei seiner Freundin samt Familie – eine Vorstellung, die Helmar anfänglich noch amüsiert hatte. Doch da ist ja noch die blonde Marie, die in der Weinstube. „Keiner würde dort seine großen Worte zitieren“, glaubt er. „Das war es, wonach er sich sehnte.“ Doch auch bei Marie kann er nicht bleiben. Da ist wieder ein anderer. Wenig später, am Ende der Geschichte, sitzt Helmar „trübselig“ am Tisch, allein mit seinem Wein.

Eduard von Keyserlings extrem eindrucksvolle Geschichte rund um das Frau/Mann-Verhältnis in aristokratischen und bürgerlichen Kreisen, um Sprache, Genuss, Erotik, Begehren, aber auch um Überheblichkeit, Arroganz und den Wunsch nach Gemeinschaft wirkt so eindrucksvoll, weil sie in ihrer diskreten, immer dezent bleibenden Sprache exakt das offenbart und gewissermaßen widerspiegelt, was der Hauptfigur im Weg steht zum eigenen Glück. Die Erzählung bleibt in jenem Diskurs, den sie ihrem Protagonisten zuschreibt. Große Kunst! Und was für ein Titel: „Verschlossene Weihnachtstüren“! Dieser starke Text erschien zuerst im Jahr 1907 und wird hier gelesen von Volker Drüke.

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