Die Christkind-Verschwörung: Warum wir unsere Kinder belügen Podcast Por  arte de portada

Die Christkind-Verschwörung: Warum wir unsere Kinder belügen

Die Christkind-Verschwörung: Warum wir unsere Kinder belügen

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Jeder frischgebackene Vater startet mit diesem einen, fast schon heiligen Vorsatz: „Ich werde mein Kind niemals anlügen.“ Wir malen uns aus, wie wir jede noch so komplexe Frage der Welt in kindgerechte Häppchen verpacken – ein bisschen Pipi-Kaka-Sprache hier, ein bisschen Gugugaga dort, aber im Kern bleibt es die reine Wahrheit. Doch dann kommt das Leben dazwischen. Spätestens, wenn man versucht, einem Vierjährigen den Klimawandel so ehrlich zu erklären, dass man sich kurz darauf im Wartezimmer eines Kinderpsychologen wiedersieht, merkt man: Die totale Ehrlichkeit ist vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Manchmal ist die Lüge einfach der bequemere Weg, um nicht ständig neue existenzielle Krisen am Abendbrottisch verhandeln zu müssen.

Weihnachtstraditionen zwischen Magie und Notlüge

Besonders in der Vorweihnachtszeit mutieren wir Eltern zu regelrechten Hochstaplern. Wir erschaffen ein riesiges, strukturelles Lügengebilde aus Nikoläusen, Krampusse, Weihnachtsmännern und Christkindern. Dabei stellt sich die fast schon ketzerische Frage, ob unsere Traditionen und Religionen eigentlich nur auf einem Fundament aus Flunkereien basieren. Wir erzählen uns selbst, dass wir das alles für die Kinder tun, für diesen magischen Glanz in ihren Augen. Aber wenn wir ehrlich sind, belügen wir sie für uns selbst. Es ist schlichtweg herzig anzusehen, wie sie ihre Wunschzettel schreiben – was uns nebenbei den Stress erspart, uns wirklich mit ihren Interessen auseinanderzusetzen. Wir brauchen die Lüge als Puffer, damit die Kinder nicht merken, dass es eigentlich nur wir sind, die ihnen etwas schenken wollen.

Die dunkle Seite der pädagogischen Lügen

Historisch gesehen hatte das Belügen der Kinder sogar einen noch dunkleren Beigeschmack. Früher, als Schrank und Magen leer blieben, war es einfacher zu sagen: „Du warst nicht brav genug, deshalb hat das Christkind nichts gebracht.“ Es war eine perfide Methode, den berechtigten Zorn über Armut und Ungerechtigkeit von den Eltern oder dem System weg und direkt in die kindliche Psyche umzuleiten. Heute sind die Gabentische zwar voll mit Plastik, aber die systemischen Lügen bleiben. Wir impfen unseren Kindern Sätze ein, wie „Alles wird gut“ oder „Du kannst werden, was du willst“. Dabei wissen wir genau: Ohne Erbe, Beziehungen oder das Glück der oberen 0,1 Prozent ist das schlichtweg Bullshit. Wir vermitteln ihnen ein Bild einer Gesellschaft, die auf Teilen und Rücksicht basiert, während wir sie gleichzeitig in ein System entlassen, in dem nur die lautesten Schreihälse und die rücksichtslosesten Egoisten wirklich gehört werden.

Warum Ehrlichkeit in der Erziehung so schwierig ist

Wir lügen sogar in ihren Bilderbüchern weiter. Auf dem illustrierten Bauernhof sind alle Tiere glücklich und leben in harmonischer Eintracht mit dem Bauern, bis wir ihnen schließlich das Schnitzel servieren, ohne jemals das Wort Schlachthaus zu erwähnen. Wir haben Angst, sie könnten Veganer werden, und verheimlichen deshalb, dass unsere Gesellschaft auf der Ausbeutung von Lebewesen fußt. Wir lügen, weil wir überfordert sind, weil wir das System selbst nicht ändern können und es deshalb wenigstens vor den Kindern schönfärben wollen. Doch Kinder sind stärker, als wir glauben. Sie vertragen die Wahrheit oft besser als wir Erwachsenen, die wir uns hinter Ironie und Zynismus verstecken. Vielleicht wäre es an der Zeit, ihnen zu sagen: Wir schenken dir etwas, weil wir dich lieben und weil du Teil unserer Familie bist – ganz ohne die Drohung eines unsichtbaren Wesens, das dich ständig beobachtet. Wir haben es vielleicht verkackt, aber geben wir unseren Kindern wenigstens das richtige, ehrliche Rüstzeug mit, um es besser zu machen.

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