Romuald Nguelem, 28 Jahre alt,

durchquerte die kühle Eingangshalle des Allgemeinen Krankenhauses

von Yaoundé mit jener zurückhaltenden Eleganz, die ihm eigen war.

Sein makellos gebügelter weißer Kittel wehte leicht hinter ihm her.

Er grüßte die Pfleger mit einem Nicken, manchmal mit einem kurzen

Lächeln. Keine überflüssige Geste, kein unnötiges Wort. Jeder

Schritt Romualds wirkte bedacht, jeder Blick beherrscht. Doch

diejenigen, die ihn kannten, wussten: Hinter seiner stählernen

Fassade verbarg dieser Mann ein Herz, das von unerschütterlichem

Glauben durchdrungen war.

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Der 12. November. Für die meisten ein

gewöhnlicher Tag. Doch für Stéphanie war es ein Meilenstein in

ihrer Geschichte: der sechste Hochzeitstag. Sechs Jahre voller Treue,

Kompromisse, gemeinsamer Gebete und stiller Vertrautheit. Sie hatte

etwas Besonderes geplant. Etwas, das aus dem starren Rahmen ihres

Alltags herausbrechen sollte.....

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Drei Tage nach dem Dinner erhielt

Stéphanie einen Anruf. Unbekannte Nummer.

„Hallo Stéphanie,

hier ist Solange… die junge Frau aus dem Restaurant. Erinnern Sie

sich?“

Sie erinnerte sich. Ihre Stimme hatte einen Eindruck

hinterlassen. Ruhig. Warm. Doch zu beherrscht, um unschuldig zu

wirken.

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Die Tage nach dem Abendessen im Mont Fébé Palace vergingen

ruhig. Zu ruhig.

Stéphanie versuchte, die Begegnung mit Solange aus ihren Gedanken

zu verbannen. Doch ein leises Unbehagen nistete sich in ihrem Herzen

ein – unbestimmt, aber beständig. Solange hatte sich nicht mehr

gemeldet. Kein Anruf. Keine Nachricht. Keine Versammlung. Nichts.

Doch gerade dieses Schweigen machte sie nervös.

Romuald hingegen kehrte scheinbar zur Normalität zurück. Er

verließ früh das Haus, arbeitete im Krankenhaus, kam spät zurück

und vertiefte sich abends in seine Fachliteratur oder in die Bibel.

Aber in seinem Blick lag eine neue Schwere. Als ob er etwas mit sich

trüge, das zu schwer war, um es zu teilen.

Eines Morgens betrat er sein Büro in der Kardiologie Abteilung –

und blieb stehen.

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Romualds Telefon vibrierte um 6:12 Uhr

morgens.

Eine einfache Nachricht, ohne Namen:

„Ich

stehe vor dem Krankenhaus. Nur um dich vorbeigehen zu sehen. Das

hilft mir zu atmen.“

Er klappte sein Display mit einem

Grimassen zu. Er wusste, wer geschrieben hatte. Und er wusste, dass

sie die Wahrheit sagte.

Seit einigen Tagen begnügte sich

Solange nicht mehr damit, seine Gedanken zu beherrschen. Sie lauerte.

Sie beobachtete. Manchmal ging sie sogar seinen Schritten voraus. Sie

war da, ohne wirklich da zu sein, wie ein Schatten, der keine Grenzen

respektierte. Es war nicht nur beängstigend. Es war... irrational.

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Solange schickte keine Nachrichten mehr.

Sie rief nicht mehr an.

Sie hinterließ keine Geschenke mehr und tauchte weder an der

Schule noch im Krankenhaus auf. Doch statt Erleichterung zu

bringen, wirkte dieses Schweigen wie ein rotes Warnsignal.

Denn bei manchen Seelen erlischt eine Obsession nicht. Sie

verändert nur ihr Gesicht.

Und Solange hatte beschlossen, eine neue Strategie zu

verfolgen.

Sie wollte nicht mehr verführen. Sie wollte existieren. Überall

sein. Sich in die kleinsten Winkel ihres Lebens einschleichen,

bis hin zu ihrem Glauben, ihrem Schlaf, ihrem Fleisch. Ohne

anzuklopfen, ohne zu sprechen.

An dem Tag, als Stéphanie zum ersten Mal die Stimme erhob,

bemerkte er es nicht einmal.

„Willst du, dass ich dir die Frage stelle?“ fragte sie, den Blick

fest in seinen gerichtet.

„Welche Frage?“

„Ob du etwas für sie empfindest.“

Die Stille, die folgte, dauerte nur wenige Sekunden, doch sie

fühlte sich länger an als all ihre Ehejahre zusammen.

Romuald seufzte, hob die Hände, als wollte er sagen: „Lass uns

aufhören.“.....

An diesem Morgen blies ein starker Wind über die Höhen von

Bastos. Romuald kleidete sich wie gewohnt: makellos,

ordentlich, präzise. Doch tief in seinem Inneren löste sich

etwas. Ein unsichtbares Band, eine spirituelle Wachsamkeit, die

er für unfehlbar gehalten hatte.

Stéphanie schenkte ihm nur ein flüchtiges Nicken, als sie an

ihm vorbeiging, ohne Kuss, ohne gemeinsames Gebet. Er

spürte es. Es war keine Spannung mehr. Es war ein Abgrund.....